Offener Brief an die Bundesregierung
Endlich handeln: Für mehr Zusammenhalt – Raus aus Einsamkeit und Armut!
Sehr geehrter Herr Bundeskanzler,
sehr geehrter Herr Bundesminister Dr. Habeck,
sehr geehrter Herr Bundesminister Lindner,
sehr geehrter Herr Bundesminister Heil,
sehr geehrte Frau Bundesministerin Paus,
sehr geehrter Herr Bundesminister Prof. Dr. Lauterbach,
im Koalitionsvertrag haben Sie eine Politik des Respekts versprochen, die Armut und Ausgrenzung den Kampf ansagt. Die Ankündigung wichtiger Projekte wie die Kindergrundsicherung, das Bürgergeld, die Entlastung pflegebedürftiger Menschen und ihrer An- und Zugehöriger haben Hoffnung auf eine gerechtere Zukunft geweckt.
Zwei Jahre danach geht es den Menschen in Deutschland schlechter, während die Antrittsversprechen Ihrer Koalition nur teilweise oder gar nicht umgesetzt wurden. Die soziale Zukunft wird wegen vermeintlicher Sparzwänge und anderen politisch gesetzten Schwerpunkten immer weiter aufgeschoben.
Wir fordern Sie dringend dazu auf, diesen Kurs zu ändern. Ein in der politischen Nabelschau verfangenes Regieren, das den Druck auf große Teile der Bevölkerung nicht sehen will, ist in höchstem Maße demokratiegefährdend.
Die Armut in Deutschland wächst, und mit ihr die soziale Isolation. Sozial- und Wohlfahrtsverbände warnen schon lange davor, dass sie deren Folgen nicht mehr abfedern können. Wir müssen es in aller Deutlichkeit sagen: Immer mehr Menschen werden ins Abseits geraten, während die soziale Infrastruktur bereits jetzt so löchrig ist, dass zu viele durchs Netz fallen. Wenn wir über die Klimakrise sprechen, sind Kipppunkte in aller Munde. Auch in unserer Gesellschaft gibt es diese Kipppunkte, deren Überschreiten unsere plurale, soziale Demokratie zutiefst gefährdet. Wir sind Zeug*innen eines sozialen Klimawandels, während die Politik sich ihrer Verantwortung für ein nachhaltiges Gemeinwohl und -wesen entzieht.
Wir fordern Sie deshalb auf,
- vom Gießkannenprinzip auf individuelle Förderung umzustellen: Solidarität in der Gesellschaft bedeutet, dass stärkere Schultern schwerere Lasten tragen als diejenigen, die sowieso weniger haben. Unterstützung muss bei denjenigen ankommen und wirken, die sie benötigen.
- Armut in allen Lebensphasen und unabhängig vom Aufenthaltsstatus entschieden den Kampf anzusagen: Dazu muss das Leistungsniveau in der Grundsicherung für alle Leistungsberechtigten unverzüglich angehoben werden. Zudem ist eine Kindergrundsicherung umzusetzen, die über eine Verwaltungsreform hinaus geht und echte Chancen für Kinder eröffnet. Das Asylbewerberleistungsgesetz ist unverzüglich in die Grundsicherungssysteme zu überführen, damit dass Existenzminimum für alle Menschen gleich hoch ist.
- mehr Gerechtigkeit auf dem Wohnungsmarkt zu schaffen: Immer mehr Menschen geraten auf dem Wohnungsmarkt in Notlagen. Hier muss die Politik dringend handeln: Es braucht einen starken gemeinnützigen Wohnungssektor, das Verbot von Indexmieten, eine stärkere Regulierung von Mieten und die Verlängerung und Verschärfung der Mietpreisbremse. Denn Wohnen ist existenziell!
- soziale Teilhabe für Alle zu ermöglichen: Die Programme, die Menschen qualifizieren, weiterbilden und eine Integration in den Arbeitsmarkt sowie soziale Teilhabe ermöglichen, müssen mit entsprechenden Fördermitteln im Bundeshaushalt unterlegt werden. Wirkliche Teilhabe gibt es nicht umsonst!
- Alleinerziehende nicht im Regen stehen zu lassen: Immer noch gibt es ein unzureichendes Angebot an Kinderbetreuung. Alleinerziehende Mütter und Väter können in den meisten Fällen einer Erwerbstätigkeit nur in Teilzeit oder gar nicht nachgehen und sind somit besonders armutsgefährdet. Vor dem Hintergrund der steigenden Zahl der Alleinerziehenden müssen genügend Betreuungsplätze angeboten werden können.
- die Empfehlungen des unabhängigen Beirates für die Vereinbarkeit von Pflege und Beruf umzusetzen: Das bedeutet, ein Familienpflegegeld einzuführen, die Möglichkeiten der Familienpflegezeit auszuweiten und weitere Verbesserungen der derzeit schwierigen Situation erwerbstätiger pflegender Angehöriger im Rahmen der Änderungen von Pflegezeit- und Familienpflegezeitgesetz zu erwirken.
- Steuerzuschüsse für die Pflegeversicherung zur Verfügung zu stellen, um die Pflegeversicherung von Kosten von gesellschaftlichen Aufgaben zu entlasten (wie z. B. für die Rentenbeiträge für pflegende Angehörige)
Armut und Einsamkeit müssen multifaktoriell und in ihrer Wechselseitigkeit bekämpft werden. Klar sollte allerdings sein: Wer Einsamkeit bekämpfen will, muss den Blick vor allem auf die Verhinderung von Armut setzen. Es darf kein “Weiter so” geben. Auch in der Sozialpolitik muss die Koalition aus SPD, Bündnis90/Die Grünen und FDP die Weichen neu stellen, um adäquat auf die von Bundeskanzler Scholz benannte Zeitenwende zu reagieren.
Mit freundlichen Grüßen
Kathrin Sonnenholzner Michael Groß
Präsidentin der Arbeiterwohlfahrt Präsident der Arbeiterwohlfahrt
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5. bei Wunsch Anpassungen am Brief vornehmen und diesen mit persönlichen Erfahrungen anreichern,
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