Die AWO-Frauen haben die Gesellschaft verändert

Die Arbeiterwohlfahrt wurde am 13. Dezember 1919 auf Initiative von Marie Juchacz gegründet und ist aus den Ideen der sozialdemokratischen Arbeiterbewegung entstanden. Sie war die erste Frau, die in einem deutschen Parlament, der Weimarer Nationalversammlung, das Wort ergriffen hatte und so eine Meilenstein für die Gleichberechtigung setzte.

1919-1932: Die AWO in der Weimarer Republik

1919

Gründung der Arbeiterwohlfahrt

Marie Juchacz gründet am 13. Dezember den „Hauptausschuss für Arbeiterwohlfahrt“ innerhalb der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands. Das Motto des jungen Wohlfahrtsverbands: „Arbeiterwohlfahrt ist die Selbsthilfe der Arbeiterschaft“.

1919
1925

Eintragung als Verein

Beim Amtsgericht Berlin-Mitte wird der Hauptausschuss für Arbeiterwohlfahrt e.V. eingetragen.

1925
1926

Gründung der AWO Köln und der Zeitschrift der Arbeiterwohlfahrt

Die AWO in Köln wird gegründet.
Die Zeitschrift „Arbeiterwohlfahrt“ erscheint erstmalig. Die Auflage beträgt 10.000 Exemplare. Erscheinungsweise zweimal monatlich.

1926
1928

Eröffnung der „Wohlfahrtsschule der Arbeiterwohlfahrt“ in Berlin

Eröffnung der „Wohlfahrtsschule der Arbeiterwohlfahrt“ in Berlin. Vorsitzende des Kuratoriums und Leiterin der Schule: Hedwig Wachenheim.

1928
1930

Zehnjahrfeier der AWO sowie Gründung der Internationalen Arbeiterwohlfahrt

Aus Anlass der Feier des zehnjährigen Bestehens der Arbeiterwohlfahrt treffen sich die von Marie Juchacz eingeladenen Vertreter*innen ausländischer Schwesterorganisationen. Es werden Möglichkeiten der praktischen Zusammenarbeit (z.B. Kinderaustausch, soziale Praktika) verabredet und die Herausgabe einer Korrespondenz mit Berichterstattung über wohlfahrtspolitische Ereignisse in den einzelnen Ländern in Aussicht genommen. Marie Juchacz wird zur Vorsitzenden, Hedwig Wachenheim zur Schriftführerin der Internationalen Arbeiterwohlfahrt gewählt.

1930
1932

Ablehnung von Kooperation mit Nationalsozialisten

Zur Winterhilfe 1932 schreibt Lotte Lemke in der „Arbeiterwohlfahrt“ (Nr. 18/1932) u.a.: „Während der Hauptausschuss in allen Fällen die Entscheidung über Beteiligung oder Nichtbeteiligung völlig in die Hände der Bezirks- und Ortsausschüsse verlegt, so hat er sich doch in einem Falle entschlossen, die Unterorganisationen zu binden. Dieser Fall betrifft die Frage einer Beteiligung der Nationalsozialisten an der Winterhilfe. Wo dieser Fall praktisch wird, da kann es für die Arbeiterwohlfahrt nur ein Fernbleiben geben; wir müssen es ablehnen, mit einer Organisation, die durch ihren Mordterror unendliches Elend über zahllose Arbeiterfamilien gebracht hat, uns an einen Tisch zu setzen.“

1932

1933-1944: Die AWO während der Nazi-Diktatur

Ab Mai 1933 werden neben allen Geschäftsstellen der Arbeiterwohlfahrt auch deren Einrichtungen, Inventar, Heime Grundbesitz, Konten und Handkassen in ganz Deutschland beschlagnahmt und der NS-Volkswohlfahrt übereignet.

1933 (bis 1936)

Gründung des Deutsch-Ausländischen Jugendwerkes als Tarnorganisation

Der Hauptausschuss der Arbeiterwohlfahrt gründet eine Tarnorganisation zur Hilfe für Verfolgte, Inhaftierte, Emigrierte und deren Familien und stattet diese Organisation mit einem namhaften Geldbetrag aus. Durch die prominente Vorstandsbesetzung (Elsa Brändström als Vorsitzende und Elisabeth de Morsier als stellv. Vorsitzende) kann der Verein bis zur Verausgabung der Mittel in 1936 unangetastet durch die Nazis arbeiten. So werden mehrere Hundert wertvoller Pakete an Familien Verfolgter versandt, Erholungsaufenthalte für Kinder und Haftentlassene durchgeführt und bis Ende 1935 ein Kindergarten in Berlin-Reinickendorf unterhalten, in dem fast ausschließlich jüdische Kinder betreut werden.

1933 (bis 1936)

Besetzung des Büros des Hauptausschusses der Arbeiterwohlfahrt

Die Geschäftsstelle des Hauptausschusses wird zunächst von SS-Leuten aufgesucht, die Auskünfte einholen (Anschluss an die NSV). Dann erscheint ein Beauftragter der Deutschen Arbeitsfront, Herr Kabitz, der die Geschäftsführerin Lotte Lemke des Hauses verweist und die „Leitung der Arbeiterwohlfahrt“ übernimmt. Vorsorglich war schon vorher in der Großbeerenstraße ein Ausweichbüro gemietet worden. In diesem Zimmer treffen sich täglich nach Dienstschluss der gleichgeschalteten Geschäftsstelle die verantwortlichen Mitarbeiter und beraten Gegenmaßnahmen zu den von Kommissar Kabitz herausgegebenen Anweisungen. Überall im Lande vollzieht sich der gleiche Vorgang wie in der AW-Zentrale: Geschäftsstellen werden besetzt, die Bankkonten beschlagnahmt, die Heime und Einrichtungen in Besitz genommen. Viele der führenden Persönlichkeiten müssen ihre Sicherheit in der Emigration suchen, viele kommen in Gefängnisse und Konzentrationslager; viele kehren nicht wieder zurück.

Emigrantenhilfe in Saarbrücken

Bis zur Saarwahl im Januar 1935 können regelmäßig vom Saarland aus Zuwendungen an Mitglieder und deren Familien in Deutschland organisiert werden. Diese Aufgabe wird von frühen Exilanten (Spitzengenossen aus Partei und AW – Marie Juchacz) in Zusammenarbeit mit der AW des Saargebietes gesteuert. 

1941

Marie Juchacz verlässt Frankreich und trifft in New York ein

Durch eine Rettungsaktion des Jewish Labor Committe (Jüdisches Arbeiterkomitee) in Zusammenarbeit mit der German Labor Delegation in the United States (Deutsche Arbeiterdelegation in den Vereinigten Staaten) für Emigranten aus der europäischen Arbeiterbewegung verlässt Marie Juchacz von Marseille aus Frankreich auf einem französischen Schiff, das sie zunächst auf die französische Antilleninsel Martinique bringt. Emil Kirschmann, der kein Ausreisevisum erhalten hat, wird von einem französischen Oberst heimlich auf das Schiff gebracht. Im Mai treffen Marie Juchacz und Emil Kirschmann in New York ein.

1941

1945-1949: Die Arbeiterwohlfahrt in der Nachkriegszeit

Mit Beendigung des Zweiten Weltkrieges brechen auch die öffentlichen Verwaltungen zusammen; die Kommunen versuchen, dem sich abzeichnenden Chaos Einhalt zu gebieten. Der Strom der Heimatvertriebenen aus dem Osten wächst, Kriegsteilnehmer und Evakuierte kehren in Scharen zurück, Jugendliche irren heimatlos auf den Landstraßen herum. Es mangelt an Lebensmitteln, Kohle, Kleidung und allen Dingen des täglichen Bedarfs. Die katastrophale Versorgungslage lässt den Schwarzmarkt aufblühen. Flüchtlingslage und Notunterkünfte sind überfüllt und primitiv. Die Sterblichkeitsrate steigt, Tuberkulose und Geschlechtskrankheiten nehmen besorgniserregend zu. Die Kriminalität steigt, besonders unter Jugendlichen, die keine Zukunftsperspektiven haben.

1945

Aufbau der Arbeiterwohlfahrt „von unten“

Dies ist die Situation, unter der die Arbeiterwohlfahrt wieder anfängt zu arbeiten. Lokal hatten schon Aktivitäten in den letzten Kriegswochen wieder begonnen. Allerorten, wo früher eine Arbeiterwohlfahrt bestanden hatte, nehmen die ehemaligen Helfer und Helferinnen den Kampf gegen die unabsehbare Not jener Zeit auf. An anderen Orten sind es die mit dem Flüchtlingsstrom gekommenen Helfer aus dem Osten, die mit ihren Erfahrungen ihren Schicksalsgenossen Beistand leisten. All dies geschieht spontan, ohne jede Anweisung „von oben“. Die örtlichen AWO-Ausschüsse und –Vereine schließen sich auf Kreisebene zusammen, bald auch zu Bezirksausschüssen.

1945
1946

Wiedergründung des Hauptausschusses der Arbeiterwohlfahrt

Robert Görlinger, Oberbürgermeister von Köln (aus dem KZ Sachsenhausen am 05.05.1945 befreit), lädt gemeinsam mit Alfred Nau zu einer vorbereitenden Sitzung zur Wiederbegründung des „Hauptausschusses für Arbeiterwohlfahrt“ ein. Die Einladung geht an die inzwischen gebildeten Bezirksausschüsse der AW in der britischen, amerikanischen und französischen Besatzungszone. In der sowjetisch besetzten Zone hatte sich unter kommunistischer Führung die „Volkssolidarität“ gebildet, wodurch eine Neubildung der Arbeiterwohlfahrt unmöglich geworden war. An der Sitzung nehmen Vertreter fast aller Bezirksausschüsse der britischen und amerikanischen Zone teil; die Vertreter der französischen Zone erhalten keine Ausreisevisa von der Besatzungsmacht. 

Es wird beschlossen:
– Die Bildung des Hauptausschusses für Arbeiterwohlfahrt. Zum vorläufigen Vorsitzenden wird Oberbürgermeister Robert Görlinger, zum vorläufigen Schatzmeister Alfred Nau gewählt.
– Die Bildung von vier Fachausschüssen.
– Organisatorisch soll sowohl der Form von Ausschüssen als auch der Mitgliederorganisation (Verein) Raum zur Entwicklung gegeben werden.
– Beitragsmarken sollen durch den Hauptausschuss herausgegeben werden.

Lotte Lemke nimmt, vom Vorsitzenden Robert Görlinger berufen, ihre Tätigkeit als Hauptgeschäftsführerin wieder auf und errichtet in Hannover, Friedrichstraße 15, die Geschäftsstelle des Hauptausschusses für Arbeiterwohlfahrt.

1946
1948

Hauptausschuss wird e. V.

Der Hauptausschuss für Arbeiterwohlfahrt wird in das Vereinsregister beim Amtsgericht Hannover eingetragen. Gründungsmitglieder sind: Robert Görlinger, Köln; Lotte Lemke, Hannover; Minna Sattler, Dortmund; Fritz Ripp, Stuttgart; Jan Brüntink, Frankfurt a. M.; Max Engel, Hamburg; Anna Zinke, Kassel.

1948
1949

Marie Jucacz kehrt nach Deutschland zurück

Nach einer großen Verabschiedungsfeier durch die AWO New York, deutsche Arbeiterorganisationen und viele andere Amerikaner besteigt Marie Juchacz ein Frachtschiff, um nach Deutschland zurückzukehren. Am 2. Februar 1949 kehrt Marie Juchacz aus der Emigration zurück und kommt in Bremerhaven an.
Thema der öffentlichen Kundgebung im Oktober: “Krise und Heilung des deutschen Gemeinschaftslebens“, Referent: Flüchtlingsminister Heinrich Albertz. Marie Juchacz wird zur Ehrenvorsitzenden gewählt. Robert Görlinger tritt als Vorsitzender zurück, an seiner Stelle wird Heinrich Albertz gewählt. Robert Görlinger wird stellvertretender Vorsitzender, Alfred Nau Schatzmeister. Für die zurückgetretenen bzw. Ausscheidenden Vorstandsmitglieder (Anna Zink, Fritz Ripp, Maria Detzel) werden Ida Wolff, Berlin, Martha Schanzenbach MdB, Gengenbach, und Bürgermeister Hans Segitz, Nürnberg, gewählt.

1949

1950 – 1989: Die Arbeiterwohlfahrt in der Bonner Republik

Genosse Görlinger eröffnete die Tagung mit einer Begrüßung der Delegierten und Gäste. Er gedachte des besonderen Charakters, den die Konferenz durch die gleichzeitige Feier des 30. Gründungstages der Arbeiterwohlfahrt erhielt. Er begrüßte besonders die Gründerin der Arbeiterwohlfahrt, Gen. Juchacz, und nannte die Namen ihrer Mitarbeiter, die im Jahre 1919 für die Arbeiterwohlfahrt besonders tätig waren und die zum Teil ebenfalls anwesend waren: Minna Todenhagen, Else Ryneck, Hermann Feldmann, Andreas Dreher und Max Engel.

1952

Die Geschäftsstelle des Hauptausschusses übersiedelt in eigenes Haus nach Bonn

Die Geschäftsstelle des Hauptausschusses übersiedelt in eigenes Haus nach Bonn, Dottendorfer Straße 168 (1972 umbenannt in Ollenhauerstraße). Am 4. und 5. April 1952 wird das neue AW-Verbandshauses in Bonn in Verbindung mit einer Tagung des Hauptausschusses feierlich eröffnet.

1952
1953

Reichkonferenz in Berlin

Reichskonferenz in Berlin. Kundgebung in der städt. Oper: Willi Eichler spricht über „Sozialismus als angewandte Ethik“. Die Wahlen zum Vorstand bestätigen Heinrich Albertz als Vorsitzenden; zu stellvertretenden Vorsitzenden werden Lotte Lemke und Martha Schanzenbach, zum Schatzmeister Alfred Nau gewählt.

1953
1969

Bundeskonferenz in Berlin zum 50jährigen Jubiläum

Bundeskonferenz verbunden mit einer Festveranstaltung aus Anlass des 50jährigen Jubiläums. Ehrengast: Bundeskanzler Willy Brandt. Lotte Lemke hält die Festansprache zum Thema „50 Jahre Arbeiterwohlfahrt“.
Im Mittelpunkt der Organkonferenz steht das Referat von Prof. Dr. Ulrich Lohmar, MdB: „Demokratisierung als politische und pädagogische Aufgabe“. Erstmalig werden die Marie-Juchacz-Plakette und der Fernsehpreis der Arbeiterwohlfahrt verliehen.

1969
1979

Grundsteinlegung Marie-Juchacz Haus in Bonn

Aus Anlass des 100. Geburtstags von Marie Juchacz findet eine Kranzniederlegung am Grabe in Köln statt. Anschließend erfolgt die Grundsteinlegung für das Marie-Juchacz-Haus in Bonn- Tannenbusch, in dem die Zentralstelle der Arbeiterwohlfahrt untergebracht werden soll. Die Grundsteinlegung wird von Antje Huber, Bundesministerin für Jugend, Familie und Gesundheit vorgenommen. In einer Gedenkfeier spricht Dr. Susanne Miller zum Thema: „Marie Juchacz – ihre Zeit, ihr Leben, ihr Werk“.

1979
1981

Neue Zentralstelle in Bonn

Der Bundesverband der Arbeiterwohlfahrt bezieht seine neue Zentralstelle im Marie-Juchacz-Haus.

1981
1989

Bundeskonferenz in Bonn zum 70jährigen Jubiläum

Nach 70jährigem Bestehen seit 1919 und 40 Jahren Mitarbeit an der sozialen Arbeit in der Bundesrepublik Deutschland sollte die Bundeskonferenz in Bonn stattfinden, in der Hauptstadt des im Bewusstsein der Arbeiterwohlfahrt zu Ende gegangenen Provisoriums, gleichsam als Friedensschluss mit der gegebenen Realität. Themen sind neben dem Bericht zur Lage des Verbandes „Arbeiterwohlfahrt: 70 Jahre für den sozialen Fortschritt“ und „Arbeiterwohlfahrt: 70 Jahre und kein bisschen leiser“. 

1989

1990 – 2009: Die AWO in der Berliner Republik

Ab November 1989 gründen sich unter der „Patenschaft“ der westdeutschen AWO-Verbände die ersten Verbände der Arbeiterwohlfahrt im Osten. Am 10. November 1990 schließen sich die Landes- und Bezirksverbände der Arbeiterwohlfahrt in ganz Deutschland zusammen.

2019

Die AWO feiert ihr 100jähriges Jubiläum bundesweit

2019

Quelle: www.awo.org/ueber-uns/awo-historie