Feierliche Übergabe des Booklets
Bild (von links nach rechts): Gabriele Patzke (SBK), Henriette Reker (OB), Ulli Volland-Dörmann (AWO), Martina Schönhals (Diakonie)

Workbook zur Zukunft der Pflege

Pressegespräch mit Oberbürgermeisterin Henriette Reker: Vorstellung eines Instrumentkoffers zur „Zukunft der Pflege“.

Die Zahl älterer und hochaltriger Menschen steigt in Köln deutlich an. Der stärkste Anstieg wird in der Altersgruppe zwischen 70 und 79 Jahren erwartet: von aktuell rund 80.000 Personen auf 110.000 Personen im Jahr 2040. Auch für die Gruppe der Hochaltrigen ab 80 Jahren wird ein deutlicher Zuwachs erwartet: von aktuell rund 60.000 Personen auf voraussichtlich 75.000 Personen im Jahr 2040.

Die eigentlich erfreuliche Nachricht von einem längeren Leben stellt die Stadtgesellschaft zugleich vor enorme Herausforderungen. Der zweite Bericht zur Kommunalen Pflegeplanung der Stadt Köln, aus dem die Zahlen stammen, beschreibt eindringlich die Situation älterer und hochaltriger Menschen und bescheinigt einen enormen Handlungsdruck insbesondere in der Pflege. Alle dortigen Angebote werden der steigenden Nachfrage schon jetzt nicht mehr gerecht.

Die Spitzenverbände der Freien Wohlfahrtspflege als maßgebliche Träger von Pflegeeinrichtungen, ambulanten Pflegediensten und Tagespflegen sowie von niedrigschwelligen Unterstützungsangeboten für ältere und alte Menschen in Köln, haben gemeinsam mit dem kommunalen Träger SBK den vorliegenden „Instrumentenkoffer“ entwickelt als einen Beitrag zur schnellen Umsetzung möglicher Lösungsansätze, um den drohenden Pflegenotstand in Köln zumindest abmildern zu können.

Das 60 Seiten starke Workbook ist gegliedert in drei Kapitel:

  1. Niedrigschwellige und ambulante Unterstützungsstrukturen für Senior*innen in Stadtteilen
  2. Teilstationäre und stationäre Pflegeeinrichtungen
  3. Politik und Strategie

I. Niedrigschwellige und ambulante Unterstützungsstrukturen für Senior*innen in den Stadtteilen

Martina Schönhals, Mitglied der Geschäftsleitung, Diakonisches Werk Köln und Region (bis 31.12.2022 federführend für die Liga der Wohlfahrtsverbände)

„In Köln gibt es seit rund 20 Jahren eine stadtweite Versorgung mit leicht zugänglichen Angeboten für Senior*innen, die zu Hause wohnen. Diese Angebote (SeniorenNetzwerke, Seniorenberatung, Präventive Hausbesuche etc.) haben sich bewährt, müssen aber hinsichtlich der wachsenden Nachfrage ausgebaut werden. Das Workbook verweist außerdem auf Modellprojekte, die teils schon in Köln (Bickendorfer Büdchen) oder in anderen Städten (Bielefelder Modell) umgesetzt werden, aber auch auf Projekte für andere Zielgruppen wie ‚Die Kümmerei‘. Wichtig ist bei allen Angeboten, dass sie gleichmäßig in jedem Stadtteil verfügbar sind, damit Senior*innen kurze Wege haben und möglichst lange in ihrer vertrauten Umgebung wohnen bleiben können.“

II. Teilstationäre und stationäre Pflegeeinrichtungen

Gabriele Patzke, Geschäftsführerin, SBK Sozial-Betriebe-Köln gemeinnützige GmbH

„Wenn wir keine Flächen finden und in Stadtentwicklungsmaßnahmen Pflege nicht mitdenken und -planen und nicht jetzt ganz konkret in die Realisierung neuer Einrichtungen gehen, werden viele pflegebedürftige Menschen in Köln zukünftig nicht mehr versorgt werden können.

Der zweite kommunale Pflegebericht, der 2021 veröffentlicht wurde, bestätigt, was die Träger von Angeboten ambulanter, teilstationärer und stationärer Pflege schon lange wissen: Bei einer immer älter werdenden Bevölkerung fehlen bei vorsichtigen Berechnungen bis 2030 in Köln alleine ca. 1.000 stationäre Pflegeplätze – umgerechnet also ca. 12 neue Pflegeheime. Bis 2040 fehlen weitere 3.500 stationäre Plätze. Schon jetzt müssen die Anbieter stationärer Pflege Menschen abweisen, die dringend einen Pflegeplatz benötigen.

Neue Pflegeheime müssen sogenannte ‚Quartiershäuser‘ werden – mit allen Angeboten von Beratung, niedrigschwelligen und ambulanten Angeboten über Tages- und Kurzzeitpflege bis zur stationären Pflege. Wir erhoffen uns von unserem Workbook viele konkrete Maßnahmen und Entscheidungen in der Stadtspitze, jetzt und sofort zu handeln unter Beteiligung der Träger und Verbände, die die Pflegepraxis mit allen Problemen täglich erleben.“

III. Politik und Strategie

Ulli Volland-Dörmann, Geschäftsführerin, AWO Kreisverband Köln e.V.

„Eine gelingende soziale Stadt- und Quartiersentwicklung, in der für alle Generationen gute Lebensbedingungen herrschen, ist in Köln möglich, wenn alle relevanten Akteure von der Oberbürgermeisterin, über Mitglieder des Stadtvorstands, der Wohnungswirtschaft, der Wissenschaft sowie der Spitzenverbände der Freien Wohlfahrtspflege und der SBK in einer Steuerungsrunde bewährte und neue Handlungsoptionen entwickeln und diese im Zusammenspiel mit der Politik konsequent umsetzen.

Denn Sozialpolitik, die bisher überwiegend als defizitorientierte, extrem teure Reparaturwerkstatt für wirtschaftliche und soziale Notlagen einzelner Bürgerinnen und Bürger verstanden wird, verkennt die Potentiale, die durch eine partizipative, präventive, ressourcenschöpfende und kompetenzfördernde Politik im Gemeinwesen gehoben werden könnten.

Deshalb freuen wir uns, dass die Oberbürgermeisterin unserer Einladung gefolgt ist, denn das lässt uns optimistisch in die Zukunft blicken. Die demografischen und fiskalischen Entwicklungen in Köln verlangen schnelles vorausschauendes Handeln für Jung und Alt, deshalb müssen neue Konzepte her und insbesondere zügig realisiert werden. Dazu gibt’s im Workbook ‚Zukunft der Pflege‘ viele konkrete Beispiele, aber auch Hinweise zu Politik und Strategie, die ein funktionierendes und an den Menschen ausgerichtetes Gemeinwesen zum Ziel hat.“